Blütenmangel – Bestäuberinsekten in Not

Foto: Jasmin Hüttner

Als Folge der globalen Klimaerwärmung nehmen auch in unserer Region die warmen Frühjahre zu und erfreuen die Menschen vor Ort mit vorwiegend sonnigem als auch trockenem Wetter. Doch nicht bei allen Mitbürgern ist die Begeisterung hierüber ungetrübt. Und so klagen nicht nur Landwirte, Waldbesitzer und Gärtner über Trockenheit und ausbleibenden Regen. Auch die Imker haben Grund zur Sorge.
Früher als in gewöhnlichen Jahren stehen die ergiebigsten Trachtpflanzen der Honigbiene – Obstbäume, Löwenzahn und Raps – in Blüte und verblühen noch dazu im Zeitraffertempo. Und selbst klassische Nachzügler wie die Roßkastanie, deren Blüte in normalen Jahren erst nach dem Raps erfolgt und für unsere Bienen und Hummeln ein tragendes Glied in der zeitlichen Blühkette bildet, blühen lange vor ihrer Zeit ab.

Besondere Bedeutung kommt daher Wildgehölzen wie dem Hartriegel, dem Liguster, den Him- und Brombeeren und den Wildrosen, aber auch manchen Gartenpflanzen zu, um drohende Trachtlücken zu schließen. Auch die Linden können den Mangel mancherorts mildern. Dennoch werden die zeitlichen Lücken zwischen den wirklich potenten Nahrungsangeboten für unsere Bienen, aber auch für andere einheimische Insekten zum Sommer hin immer größer. Dies liegt nicht nur daran, dass große Teile der freien Landschaft heute weithin verkahlt sind. Hier sucht man intakte Obstwiesen, Obstalleen, Feldholzinseln, Hecken oder auch markante, einstmals landschaftsprägende Einzelbäume schon seit langem vielerorts vergebens.

Sind es in den Wintermonaten die motorisierten Freischneidegeräte, die unseren Gehölzen an Straßen, Feldwegen, Wald- und Ackerrändern vielerorts weit über das notwendige Maß hinaus zusetzen, so geraten in der Sommerzeit vor allem die krautigen Blütenpflanzen unters Messer. Leider nicht nur in jenen Bereichen, wo die Verkehrssicherheit und andere nachvollziehbare Gründe dieses geboten erscheinen lassen. Der zunehmende Gebrauch leistungsstarker Mähgeräte, die bequem per Joy-Stick vom vollklimatisierten Fahrzeug-Cockpit aus steuerbar sind, verleiten vielfach zu einem weit übermäßigen, ja exzessiven Einsatz, der heute nicht einmal den hintersten Winkel, ja keine Böschung und keinen Graben mehr auslässt.
Zudem sind zahllose Wegränder und Saumbiotope in unseren Feldfluren über die Jahre zu Ackerland geworden oder zumindest zu schmalen Handtuchstreifen geschrumpft.

Auch Herbizide, Insektizide und andere Pflanzenschutzmittel, aber auch Düngemittel bleiben in ihrer direkten und indirekten Wirkung keineswegs nur auf die Ackerflächen selbst beschränkt. In Folge von Windabdrift dezimieren sie zusätzlich die bereits stark reduzierte Artenvielfalt an den Wegrändern, Ackerrainen und Gräben. Hier fühlen sich oft nur noch Brennnesseln wohl.

Wo vor einigen Jahrzehnten noch die Ziegen grasten, Grünfutter für die Stallkaninchen gewonnen wurde und Honig- als auch Wildbienen ein reichhaltiges Angebot blühender Wildstauden vorfanden, macht sich unserer Tage nun zunehmende Eintönigkeit breit.
Doch nicht nur deren Blütenstaub und Nektarreservoir bot Bienen, Schmetterlingen, Käfern und anderen Insekten Nahrung. Nicht wenige Wildkräuter und Wildgehölze dienen zugleich auch als Kinderstube verschiedenster einheimischer Schmetterlinge. Werden deren Futterpflanzen vor Abschluss der Raupenentwicklung abgemäht, gehen mit diesen zwangsläufig auch deren Raupen zugrunde. Die Folge: Im Jahr darauf gibt es weniger bunte Schmetterlinge!
Nicht besser ergeht es vielen Wildstauden der Saumbiotope. Haben sie infolge der frühzeitigen Mahd nicht mehr die Chance, ausreichend Samen auszubilden und sich auszusäen, schwindet auf lange Sicht auch der Blütenreichtum in der offenen Kulturlandschaft.

Die Tatsache, dass immer größere Teile unserer Landschaft zu Hungerwüsten für unsere Tierwelt werden, stellt jedoch keineswegs nur ein mentales Befindlichkeitsproblem einiger weniger, wirklichkeitsentrückter Naturromantiker dar. Deutlich wird dieses am Beispiel der Honigbiene, eines unserer bedeutendsten Nutztiere:

Blickt man auf die ökonomische Bedeutung der Honigbiene, denken viele noch heute meist an die Erträge an Honig, Wachs, Blütenpollen und anderen Produkten. Dass der eigentliche Wert für den Menschen jedoch in deren Bestäubungsleistung liegt, wird dagegen noch immer verkannt, war dieser Aspekt bislang doch ein scheinbar beiläufiger, gleichwohl aber selbstverständlicher Nebeneffekt der Sammeltätigkeit der Honigbiene und anderer Bienen.

Wie unersetzlich die Insektenbestäubung ist, zeigt sich mitunter erst dann, wenn die Honigbiene als Hauptbestäuber einer oder sogar mehrerer bedeutsamer Kulturpflanzen lokal plötzlich ausfällt – etwa in Folge von Seuchen, Vergiftungen oder Schlechtwetterphasen. So vermindert sich z.B. der Samenansatz und damit der Ertrag der Ölfrucht Raps, obwohl im erheblichen Maße zur Selbstbefruchtung fähig, bei fehlender Bestäuberpräsenz um bis zu 50 %. Und nach manch kaltem Frühjahr bliebe die Obsternte wohl völlig aus, gäbe es da nicht noch Hummeln und diverse Solitärbienen, die ihren Anteil zur Bestäubung der Obstbäume leisten. Folglich wird heute die jährliche wirtschaftliche Wertschöpfung der Honigbienen und anderer Bestäuber weltweit auf 153 Mrd. Euro geschätzt, in Deutschland auf etwa 4 Mrd. Euro.

Weil es an Blütenkost in annehmbarer Reichweite, Menge und Qualität zunehmend fehlt, sehen sich die Imker – im Unterschied zu früheren Zeiten – schon während der Sommermonate immer häufiger gezwungen, ihren Bienenvölkern mit künstlicher Zusatznahrung über Mangelphasen hinweg zu helfen. Trotz der oft aufwendigen Zufütterung mit energiereichem Zuckerwasser geht ein Großteil der Völker jedoch physisch geschwächt in die Winterzeit, in der – wie gerade erst im zurückliegenden Winter – viele von ihnen zugrunde gehen. Wenn auch der Energiegehalt des Zuckerwassers dem Blütennektar gleichwertig ist, so fehlen doch die vielen Inhaltsstoffe (Animosäuren, Enzyme, Mineralstoffe etc.), die sich später auch im Honig finden. Und Wildbienen, Hummeln und Schmetterlinge sind mit Ersatzkost ohnehin kaum erreichbar.

Sollen drohende Bestäubungskrisen, wie mittlerweile von zahlreichen Fachleuten befürchtet, langfristig verhindert werden, ist es heute dringend geboten, die Lebensgrundlagen unserer einheimischen Bestäuberinsekten als funktionelle Ressource zu sichern und grundlegend zu verbessern – sowohl in der freien Landschaft als auch innerhalb unserer Ortschaften.

Bienenschutz – praktischer Landschafts- und Ressourcenschutz!

Dabei ist der Aufwand im ersten Schritt weitaus geringer, als viele vielleicht meinen mögen, denn neben manchem Tun ist vielfach auch nur ein konsequentes Unterlassen erforderlich. Vieles kann bereits dadurch erreicht werden, wenn der gute Wille besteht, langjährig eingefahrene Denkmuster und Betriebsabläufe zu hinterfragen, zu überdenken und zu verändern – frei nach Wilhelm Busch: Das Gute, dieser Satz steht fest, ist stets das Böse, das man lässt!

Imker und Naturschützer aus dem Altkreis Münden fordern daher in einem gemeinsamen Appell alle Verantwortlichen, vor allem aber Grundeigentümer, Landnutzer und Kommunen auf, ihren Beitrag zur Erhaltung unserer heimischen Bestäuberfauna zu leisten, indem sie:
  1. die Mahd der Straßen- und Wegränder möglichst erst im Herbst durchführen
  2. die Mahdtermine zeitlich strecken
  3. die Mähbreiten auf das unabdingbare Minimum beschränken
  4. die Schnitthöhe der Mähgeräte nicht zu niedrig (d.h. unter 15–20 cm) ansetzen
  5. die Straßen- und Wegeränder nur auf einer Seite und auf kurzen Abschnitten mähen
  6. größere Blütenhorste so weit möglich aussparen
  7. Hochstauden- und Altgrasfluren verschonen
  8. auf Pflanzenschutzmittel möglichst verzichten, etwa im Hausgarten oder
  9. beim Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln zumindest ausreichend Abstand zu den Weg- und Straßenrändern einhalten
  10. Wegerand- und Grabenstreifen wieder ihre reguläre Breite zurückgeben
  11. Feldgehölze in einem Durchgang jeweils nur auf einer Seite beschneiden
  12. regelmäßig gemähtes „Abstandsgrün“ in zwei- bis dreischürige Wiesen umwandeln
  13. andere ungenutzte Restflächen im Bereich von Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsflächen in bunte Blühstreifen umwandeln, die einmal jährlich neu ausgesät werden.
Im besonderen Maße gefordert sind hier die Kommunen, Behörden und andere öffentliche Ein- richtungen, auf ihren Flächen mit gutem Beispiel voranzugehen!